
Kolumne 6 März 2020
Jetzt ist Kolumne Zeit, auch wenn ich mich selbst erst einmal einstimmen muss. Ja, was heißt eigentlich einstimmen. Meine eigene Stimme hören, mir selbst Stimmung machen, mir selbst eine Stimme
geben. Habe ich diese nicht von Geburt an? Ist nicht jeder erster Schrei etwas ganz Persönliches. Klingt nicht jeder erster Schrei ähnlich und doch ein bisschen anders? Wer sind die ersten, die
meinen ersten Schrei gehört haben? Einmal ich selbst, dann meine Mutter, heutzutage dürfen ja auch die Väter, sich den ersten Schrei Ihres Kindes anhören und noch ein paar Geburtshelfer. Das ist
im Grunde eine ganz kleine Runde. Ja, und dann das jahrelange Stimm- und Sprachtraining, was wir ohne zu Fragen, einfach durchlaufen. Überhaupt durchlaufen wir einfach alles als Kind, alle Kinder
entwickeln sich und werden groß. Der eine hat bessere Bedingungen zum Gedeihen als der andere. Aber die Stimme, die begleitet uns ein leben lang, es sei denn man wird später durch einen
Schlaganfall mundtot gemacht oder einer von uns hängt in seinem Traumata fest, welches ihn zur Sprachlosigkeit geführt hat. Das sind jetzt nur wenige Bespiele, aber die ich im direkten Umfeld
erlebt habe. Ja in dieser Woche ist es mir genau um meine Stimme gegangen. Kennt ihr auch das Gefühl, Eure Stimme stoppt in der Mitte des Universums und es sendet kein Hall zurück. Ja, gibt es
nicht die tiefe Sehnsucht, das unsere Stimme möglichst direkt oder auch etwas später beantwortet wird. Ist das nicht auch die Sprache der Liebe, wie eine liebende Mutter, die ihr Kind mit
liebevollen Blick beantwortet. In diesen Momenten gibt es so viel selbstverständliche Zärtlichkeit, dass es einer Stimme nicht bedarf. Und doch erkennen wir unsere Liebsten an ihrer Stimme, die
ein ganzes Leben unverkennbar bleibt, obwohl alles andere sich an einem ändert. Ja und dann sind Sprachen nur erlernbar über den Klang der Stimmen, die diese Sprachen sprechen. Nur ein Handbuch
für Sprachen reicht da nicht aus, nein am Besten erlernen wir sie indem wir den Klang hören. Ich merke schon, dass ich mit dieser Kolumne auf etwas ganz Persönlichem zusteuere. Es ist nicht einer
dieser üblichen Kolumnen, sondern ich bringe hier etwas zum Ausdruck, welches mich jetzt diese Woche hier beschäftigt hat. Ich fühle mich nicht verstanden, geschweige denn gehört und das ist wohl
ein ganz altes Gefühl. Eins, was schon begonnen hat, in meiner Zeit im Inkubator als absolutes Frühchen. Ja, ich erkenne gerade im Moment, das dort meine Schreie, meine erste Ausdrucksform nicht
gehört wurden, geschweige denn beantwortet und das zieht sich bis heute durch mein Leben. Ja, die ersten Schreie des Lebens sind so existenziell und diese fordern den Erwachsenen, sich um das
neue Leben zu kümmern. Die Schreie eines Kindes gehen einem durchs Knochenmark und eine Mutter, kann gar nicht anders, als darauf zu reagieren. Jetzt fange ich an zu verstehen, warum ich so
konfrontiert war mit den Schreien meiner mittleren Tochter. Sie hat als Baby für mich mit geschrien, für meine Schreie, die nicht gehört wurden, damit ich mich nochmal erinnere. Mit diesem
Erinnern heile ich mich, was nicht in der Ganzheit ist. Heute kann ich mich selbst um meine Schreie kümmern, indem ich einfach im Wald, dass rausschreie, was raus möchte. Ist das nicht der
Wahnsinn, dass ich während ich schreibe, das alles selbst verstehe und mit meiner eigenen stillen Stimme in mir, mich selbst verstehe und ja ich mir selbst die Antwort für alles geben kann. Also
wenn, ich oder du dich nicht beantwortet fühlst, dann beantworte zu aller erst Dich selbst. Erwarte es nicht im Außen, wenn es in dir selbst noch nicht verstanden wurden. Als Baby brauchen wir
die direkte Antwort von möglichst liebenden Bezugspersonen und das unmittelbar ohne große Zeitverzögerungen, deshalb haben wir vorherige Generationen, die geschädigt sind, durch ihre einsamen
Schreie, die bewusst in der Zeit als Erziehung vorgesehen war, damit es Kriegsfähige Kinder werden, die nur so überhaupt überlebensfähig gemacht wurden. Ich wünsche allen Kindern dieser Welt,
dass Ihre Schreie gehört werden und nicht weggeschaut wird, nur damit es so schön bequem bleibt. Auch spreche ich mir und Euch allen den Mut aus, Eure Stimmen erklingen zu lassen, egal wie der
Schrei sich anhört. Nur eine Gesellschaft, die auch den Mut hat, Ihren Stimmen Ausdruck zu verleihen, kann sich verändern und etwas in Bewegung bringen. Gerade Deutschland braucht Stimmen des
Mutes, Stimmen der Wahrheit, Stimmen der Gerechtigkeit, denn die am lautesten Schreien, sind noch lange nicht die wahrhaftigsten. Also ihr Stillen, erhebt jetzt Eure Stimmen, denn es ist die
Zeit, in der man Euch wahrnimmt, denn ihr lasst Eure Herzen sprechen und nicht die Stimmen Eurer Eitelkeiten. Danke.